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        Delmont: Dunkle Truppen treibt es derweil durch die Wälder. Blut 
        und Schmutz ihrer Überfälle bleiben in unserer Gesellschaft verpönt. Wahllose 
        Willkür!
 Plötzlich brennt es. Salutschüsse für jedermann, Maschinenpistolen nur 
        zum Spaß, Patronengurte im Unterkleid. Posen sind polnische, ....äh 
        Posen sind politische Sprache, eine Zersetzung der Meinung.
 
 Argumente nie, Logik immer. Schrecken verblaßt. Heilslehren für den Rest 
        der Welt, aber nicht für uns, letztes Sterben im Gras, dann Filmwechsel.
  
        Demnächst: Göttliche 
          Komödie. Bedürfnisse überall, 
        die Polizei überwacht das Nehmen. Das Politische, das Politische starb 
        mit der Politik, der Rest, das sind wir. Der Überschuß des Lebens. Die 
        Aufklärung flackert wild, Drogensucht die Romantik, Vormärz, Alkoholiker, 
        das junge Deutschland: Geister Schiffe, die Besatzung hingestreckt und 
        der Käpten an den Mast genagelt. 
 Denn unser Fürst ist tot und wir sind vogelfrei. Wir bekämpfen die Macht, 
        wie es uns gefällt.
 
 Hans-Dieter: Ja, ja ...schon gut Dad... das kannst Du ja machen wie 
        Du willst... Jedenfalls bist Du jetzt im falschen Film... Ihr habt also 
        gekämpft, JA? Gegen die kulturelle Privatisierung die damals vollzogen 
        wurde? ...JA?
 
 Delmont: Von welcher Privatisierung sprichst Du überhaupt?
 
 Hans-Dieter: Dad.... die 90er, der Kapitalismus, die Globalisierung, 
        die absolute MÜNZE ... Deine Lieblingsthemen!!
 
 Delmont: Ach ja! ...die Nationalstaaten werden zu Verwaltungseinheiten 
        des ‘Global Player’ ...sie zerfallen in konkurrierende Standorte, 
        weltweit... und so weiter...
 
 Hans-Dieter: Wettbewerb, Wettbewerb, das war meine Kindheit ...heit
 
 Delmont: Innovation, Innovation, die Restauration, die kennst Du schon 
        schon!
 
 Hans-Dieter: Revolution, Revolution, die Motivation zur Exekution!
 
 Delmont: Die Phänomene einer globalen Ökonomie, die unglaublichen 
        Veränderun-gen des ausgehenden 20. Jahrhunderts bilden sich nur 
        im Unterbewußten ab: Nervosität, Massenhysterie, Streß, Ambience, Jugendkult, 
        Rokoko und Surrealismus, indische parfümierte Speisen, Bedeutungswahn...
 
 Hans-Dieter: Sind das die neuen Kollektionen?
 
 Delmont: Die Übertragung der bürgerlichen Werte des Wahren, Guten 
        und Schönen auf die Corporations.
 
 Hans-Dieter:... Schöne, gute, Waren...
 
 Delmont: Blinder Glaube, Fatalismus!
 
 Hans-Dieter: Das 20ste Jahrhundert, die Made im Speck der Zeit!
 
 Delmont: Die Moderne brauchte zwei Weltkriege bis alles modern war. 
        Dann kam POP! POP, der immer mehr zu einem kreativen Motor 
        der kulturellen und wirtschaftlichen Globalisierung wurde. POP, 
        dieser Judas des Underground, dieser Verräter aller Strategien, der alles 
        verfügbar, alles vermarktbar gemacht.
 POP hat die Gleichung Ware=Kultur, Kultur=Ware in jede Pore 
        dieser Erde hinein geprügelt. POP hat sich damit selbst erfüllt. 
        Es gab nichts auf dieser Welt, das nicht POP ist. Planet POP, 
        der alte Stil....
 
 Hans-Dieter:...Standort-Rock, Hofkunst Blues... Kauf-House-Musik, 
        Tam-Tam & Base...
 
 Delmont: ...heute nur noch entpolitisierte Armenkultur, Opium für 
        die Massen der Dienstleistungsknechte.
 
 Hans-Dieter:... Fanatismus! Oh Gott, wie verrückt.... Aber... wie 
        habt ihr das damals bekämpft?
 
 Delmont: Das hat sich selbst abgeschafft... Jugendkultur heute nur 
        noch für die Alten. .... und die Jugend: JETZT MEIN SCHAUSPIEL!!! Weiß 
        gekalkte, rissige Gesichter, Narben und Tätowierungen, die wie Falten 
        schmücken, Allonge Perücken, Breeches, Schnabelschuhe. Reifröcke und Korsetts, 
        Krücken, Stöcke, Gehwerkzeuge aller Art... und diese herrlichen, lang 
        geschwungenen Tabaks-Pfeifen!
 
 Hans-Dieter:...jetzt sind doch die kurzen, weißen Tonpfeifen wieder 
        subaltern! Doch damals hattest Du die Ehre, den CORPORATEN ROCOCO in die 
        Gesellschaft einzuführen?
 
 Delmont:
  
        Corporate, ich 
          liebe dich, Corporate, mag Du auch mich,
 Corporate, so sammle bitte,
 Meine Kunst, denn aus der Mitte,
 Kommt sie auch...
 Aus dem Herzen, aus dem Bauch.
  Hans-Dieter:  
        Ich lieb’ dich 
          Corporate wie nie, Komm süßer Corporate mal her und sieh
 Wie Kunst und corporate Form
 Von Innen kommt das ist enorm.
  Delmont: 
          
        Corporate, mein 
          Fürst und Herr,Corporate 
          Du hilfst mir sehr,
 Corporate, gib Du mir Geld,
 Wenn meine Kunst Dir gut gefällt.
 Denn voller Demut wächst mein Glück Dir zu...
  Hans-Dieter:.  
         Corporate, 
          mein Prinz, mein corporater Lord, Corporate, ich höre immer auf Dein 
          Wort, N ur Du mein Herr, Du kannst mein Schicksal wenden und ich versprech, 
          zu tragen Dich auf Händen.
 Delmont: 
        Nicht schlecht, mein Lieber... aber... das ist heute ein so schrecklicher Stil! Seine weitere Durchsetzung muß 
        unter allen Umständen verhindert werden! Anfangs wollte ich ja die Gesellschaft 
        verändern.... doch heute kann ich diese alten Bein-Kleider einfach nicht 
        mehr sehen.
 
 Hans-Dieter: Aber eine veränderte politische und ökonomische Struktur, 
        die im Kern ein Absolutismus ist, muß auch dem entsprechende, repräsentative 
        Formen hervorbringen...
 
 Delmont: Deswegen sind die Künstler am Hof ja auch so gern gesehen. 
        Und das ist gut so, denn die prunkvollen Ringe der virtuellen MÜNZE, die 
        Verträge unserer dummen Herzen, zu durchbrechen ...gilt es.
 
 Hans-Dieter:
  
        Du mußt es glauben... 
          dann zerfällt Dein Phantasus,
 gelbes Mittel,
 Du Versprechen!
 Delmont: Denn 
        immer ist Kunst, wie jede öffentliche Äußerung, eine Einflußnahme 
        auf den Geschmack und die Köpfe anderer.... und deshalb per se eben auch 
        politisch. Denn was man auch tut - was man sagt und wie 
        man es sagt - steht auch, immer in einem Verhältnis zur Macht. 
        Ob man also will, oder nicht, Kunst ist eben auch Strategie und 
        Einflußnahme: 
        CRITICAL ROCOCO!  Hans-Dieter: 
        Und doch die Frage ist: Für was?!
 Delmont: Es galt die Zeitenwende zu nutzen und eine neue Souveränität 
        der Subjekte gegen die von Corporations dominierten Öffentlichkeiten zu 
        behaupten und eine neue Leichtigkeit im Kampf für eine selbstbestimmte 
        Heiterkeit des Politischen und Ästhetischen zu entwickeln. 
        Gerade da hätte ich eine Möglichkeit gesehen, einen tollen anarchischen 
        Spaß zu entwickeln. Mit den verschiedenen Künstlerbildern, Popstar, romantisches 
        Genie, Sozial-Onkel und Medien-Tante konnte man ja spielen...
 
 Hans-Dieter: Künstlerischer Widerstand gegen die Kulturalisierung 
        des Lebens?
 
 Delmont: Gewiß... alles ist nur THEAterrr, Auf-Gabe des Selbst, goetthliches 
        Spiel!
 
 Hans-Dieter: Bürgerknast, Bürgerknast, ha, ha, ha!
 
 Delmont: Denn unsere Fürsten sind tot... und die verschiedenen selbstbestimmten 
        fraktalen Gesellschaften, der Clubs, Tribes und GenossInnenschaften, funktionieren 
        heute... (einigermaßen).
 Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis der Totalitarismus des Global Player 
        gebrochen wurde und eine neue Souveränität der Subjekte und ihr Anspruch 
        auf Autonomie und eigene Ökonomie gegen die Vorherrschaft der Höfe der 
        Corporations durchgesetzt war. Doch weiterhin müssen die gewählten Abgesandten 
        der Fraktale jederzeit rückgekoppelt, kontrolliert und gegebenenfalls 
        auch ausgeschaltet werden können.
 
 Hans-Dieter: Mutter erzählte mir einmal, Du hättest dich beim Sterne-Deuten 
        etwas weit aus dem Fenster gelehnt und einen Zukunftsroman ‘Futurismus 
        von Öffentlichkeit’ geschrieben?
 
 Delmont: Oh Gott, das ist mir jetzt aber wirklich peinlich... ich 
        wollte Dir das nie erzählen...
 
 Hans-Dieter: Ooh Vati, das ist schon OK, ich hab es eh heimlich gelesen 
        und da können wir ja jetzt mal kontrollieren... was davon so alles eingetroffen 
        ist!
 
 Delmont: Nee Jong... das Spiel bleibt ja doch immer nur dasselbe. 
        Mach, daß Du raus kommst in die Welt und studiere sie! Dann entscheide, 
        welchem Herren Du dienen willst. Aber bedenke: jeder stirbt für sich allein 
        und auch ich muß jetzt gehen.
 
 Ich danke Dir und all meinen Freunden für ihre Liebe, doch besonders Deiner 
        verehrten Mutter, der ich nun bald nachfolgen werde...
 Hier, Hans-Dieter, mein Letztes... Gedicht... für Dich...
 
 Hans-Dieter: Früh schläft der Reif eines kalten Jahrtausends im Tal. 
        Langsam erweicht die Nacht. Wir lachen leise. Und kichernd fällt uns der 
        Frost aus den Gliedern.
 
 Da leckt die erste Sonne den staubigen Rock und küßt die zarte Haut der 
        Dunkelheit. Wie welk und weich die nun zerfällt... Oh, daß mein Spinnennetz 
        erwacht!
 
 Das Fest beginnt! Voll blöder Erwartung balgen die Amseln, Lerchen wirbeln 
        in der Luft. Ein großer Akkord, milder denn Mairegen, Kinderküsse, Rosen 
        Duft... Und die Blüten tragen jetzt Tautropfen im Haar, so, als seien 
        das kristallerne Perlen einer strahlenden und neuen Zeit.
 
 Also jauchzt das Gewürm und die Erdkugel brummt, es knackt der Geist im 
        weiten Rund.
 
 Die morsche Brust saugt diesen frischen Morgen tief. Der kalte Rauch zerfließt 
        in seinen feinen Adern. Die Feuer der Mutigen sind ausgehaucht. Tief träumt 
        die Glut unter der Asche, welk dampft ihr Geist ins strenge All.
 
 Die Leichen sind ausgeblutet und doch... Die rote Morgenstunde ruft: Kräfte 
        sammeln, Schuß- und Stichverletzungen reinigen und die Wunden schließen. 
        Die Bewaffnung komplettieren, Übungen am Florett, Patronenhülsen füllen, 
        Bleikugeln rollen...
 
 Ich begrüße den neuen Morgen mit Dank! Dieses Gefühl wollen wir für den 
        jungen Tag hochrüsten. Klar und kalt und voll froher Gewißheit.
 
 Wenige sind schon wach unter den Apfelbäumen, auch Freunde schlafen noch 
        im Rausch.
 
 Unsere Väter sind jetzt tot, und wir sind vogelfrei.
 
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