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Haltung Vermögen

Haltung und Vermögen

Vor der Eröffnung: Der Streit über die Ausstellung der Friedrich Christian Flick Collection in Berlin als Momentaufnahme der Berliner Republik
VON ULRICH SPECK


Ab dem 22. September ist die Ausstellung der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen (Infos unter www.hamburgerbahnhof.de).

Bereits ab 19. September zeigt das Prenzlauer Berg Museum die Ausstellung "Zwangsarbeit 1938 -1945 + Das Beispiel Flick" (Infos unter www.ausstellung-zwangsarbeit-berlin.de). U.Sp.


Zum Beruf des Politikers gehört auch das Eröffnen von Ausstellungen. Schließlich hat ja, seit das Ancien Régime dahinsank, der demokratische Staat einen Großteil der Freuden und Pflichten der Kulturpflege übernommen, die einst zu den Aufgaben des Fürsten gehörte. Je bedeutender die Ausstellung ist, desto höher der Rang des eröffnenden Politikers. Und umgekehrt.

Zwei Ausstellungseröffnungen unterschiedlichen Ranges stehen in Berlin bevor. Am 21. September eröffnet der Bundeskanzler eine Kunstausstellung im Hamburger Bahnhof: die "Friedrich Christian Flick Collection" des gleichnamigen Sammlers. Und heute schon eröffnet der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS), in durchaus beabsichtigter Koinzidenz, eine historische Ausstellung im Prenzlauer Berg Museum, die den Titel "Zwangsarbeiter in Berlin 1938-1945" trägt. Darin geht es unter anderem auch um die Geschichte des Flick-Konzerns in der NS-Zeit geht.

Über die Flick-Ausstellung ist viel gestritten worden. Gerhard Schröder hat sich entschieden, dass seine Anwesenheit bei der Eröffnung durchaus im Einklang mit seiner Definition der Kanzlerschaft steht. Von Anfang an hat Schröder diese unter das Motto der "Normalisierung" gestellt. Vergangenheitspolitisch gewendet bedeutet das: "Leute, die keine eigene Erinnerung haben - das betrifft meine Generation und die Generationen, die danach kommen -, sollten ohne Schuldkomplexe herumlaufen können", erklärte er 1999 in der Zeit.

Der Streit hatte sich nicht an der Ausstellung selbst entzündet, sondern an der Äußerung Friedrich Christian Flicks, mit der Ausstellung wolle er der "dunklen Seite meiner Familiengeschichte eine hellere hinzuzufügen". Salomon Korn sah darin eine "Art moralischer Weißwäsche von Blutgeld". Denn der Grundstock des Vermögens von Friedrich Christian Flick stammt von seinem Großvater, Friedrich Flick, Rüstungsindustrieller im "Dritten Reich", mit dem Titel des "Wehrwirtschaftsführers". Zu Kriegsende verfügte er über das größte private Industrieimperium in Deutschland und war der reichste Deutsche.

Zwangsarbeit und Sklavenarbeit

Der Erfolg des Unternehmers beruhte auf engsten Anbindungen an den NS-Staat, insbesondere zu Göring. Flick profitierte auch von der "Arisierung", der zwangsweisen Überführung jüdischen Eigentums in "arischen" Besitz. Und von der Zwangs- und Sklavenarbeit, unter anderem durch jüdische KZ-Häftlinge aus Buchenwald, Dachau und Auschwitz. 1947 wurde Flick in Nürnberg zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, schon 1950 wurde er wieder entlassen. Erneut baute er ein Konzernimperium auf, und erneut wurde er der reichste Deutsche. Bis zu seinem Tode lehnte er jede Entschädigung von Zwangsarbeitern entrüstet ab.

Kunst und Zwangsarbeit

Friedrich Christian Flick ist einer der Erben des Vermögens von Friedrich Flick. Als er plante, seine Sammlung in Zürich auszustellen, hagelte es Proteste. Flick beschloss angesichts dessen, auf die ihm von Klaus Wowereit unterbreitete Berliner Offerte einzugehen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erklärte sich bereit, die Hälfte der Kosten von insgesamt etwa 14 Millionen für Umbau und Miete von Rieckhallen und Hamburger Bahnhof zu übernehmen.

Einer der Schwerpunkte der seit einigen Monaten laufenden Debatte über die Ausstellung ist die Frage, in welchem Verhältnis Flicks Kunstsammlung zu den Taten des Großvaters steht. Am Beginn stand die Abwiegelung. Kulturstaatsministerin Christina Weiß verkündete im Januar 2003, sie verstehe nicht, "wie sich eine Konvergenz zwischen der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes und einer Sammlung zeitgenössischer, frei entwickelter Kunst herstellen lässt". Der Kurator der Ausstellung, Eugen Blume, wurde mit der Äußerung zitiert, "Kunst schaffe stets eigene geistige Räume und setze sich über episodenhafte Ereignisse der Geschichte hinweg".

Als die Debatte hochkochte, angestoßen von Korns "Weißwäsche"-Vorwurf, und von verschiedenen Seiten ein Moratorium gefordert wurde, änderte sich der Ton. Die von Bund und Ländern getragene Stiftung Preußischer Kulturbesitz müsse, erklärte Christina Weiß nun, sich aktiv an der Debatte beteiligen. Der Stiftungspräsident Klaus-Dieter Lehmann wurde angehalten, im Zusammenhang mit der Ausstellung auch die Familiengeschichte darzustellen.

Versuch der Deeskalation

Eilends wurden Aktivitäten angekündigt, um die Kritiker zufrieden zu stellen: Veranstaltungen in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, eine kostenlose Zeitung, in der der Ausstellungsbesucher über die Auseinandersetzung informiert werden (durch ein Gespräch Eugen Blumes mit Flick), und eine Studie beim Münchner Institut für Zeitgeschichte über die Familiengeschichte, im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, finanziert von Friedrich Christian Flick.

In ihrer Presseerklärung vom 13. Juli begründete die Stiftung ihre Entscheidung, mit Flick zusammenzuarbeiten. Neben der Qualität der Sammlung war es "die Haltung" Flicks "in Bezug auf seine Familiengeschichte". Diese Haltung aber ist nicht so eindeutig. Friedrich Christian Flick selbst erklärt, er habe nicht in den Zwangsarbeiterfonds eingezahlt, weil dies die Gesamtsumme nicht erhöht hätte; stattdessen habe er eine eigene Stiftung mit einem Kapital von zehn Millionen Mark gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz gegründet - ein Argument, das Befürwortern wieder und wieder ins Feld geführt wird.

Andere sehen die Haltung Friedrich Christian Flicks kritischer. Seine Schwester Dagmar Ottmann forderte in der Zeit ein Moratorium, eine Aussetzung, "bis die Geschichte des Flick-Konzerns aufgearbeitet ist". Sie könne das Ausstellungsprojekt "in der jetzigen Form nicht gutheißen". Anfang 2001 habe sie selbst einen namhaften Millionenbetrag in den Zwangsarbeiter-Fonds eingezahlt. "Um meinen Bruder angesichts seiner damals in Zürich heftig diskutierten Zahlungsverweigerung nicht öffentlich bloßzustellen, geschah dies in anonymisierter Form, aber natürlich mit seiner Kenntnis." Ottmann schrieb von einer "mir persönlich durchaus geläufigen Verdrängung der NS-Vergangenheit durch einige Mitglieder der Familie Flick".

Durch ihre Entscheidung, die Sammlung unter ihre Fittiche zu nehmen, hat sich die staatliche Stiftung Preußischer Kulturbesitz in die Position gebracht, die "Haltung" des Sammlers vorbehaltlos unterstützen zu müssen. Zu den kuriosen Konsequenzen dieser Entscheidung gehört, dass sie sich jetzt in der Rolle des Auftraggebers einer historischen Studie über die Flick-Familiengeschichte wiederfindet.

Nicht Friedrich Christian Flick ist das Problem, meinte Hilde Schramm, Tochter von Albert Speer und Vorsitzende eines Vereins zur Unterstützung ehemaliger Zwangsarbeiter, kürzlich im Spiegel. "Das Problem sind die Leute in der Politik, die die Sammlung möglichst ohne Aufhebens in Berlin haben installieren wollen." Dass es dann doch ein Aufhebens gab, lässt sich immerhin als gutes Zeichen lesen.

Erscheinungsdatum 16.09.2004

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