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Gut,
schnell und billig.
Oder: Wie gründe ich einen Fernsehsender?

Frank Frangenberg
im Gespräch mit den Ansprechpartnern* von UTV.
UTV heißt Unser Fernsehsender, das ist ein TV von Unten, ein
Fernsehsender für alle und Werbung für alle. Die Televisionäre
von UTV wollen senden, sie wollen eine Frequenz für ihren Fernsehsender,
einen Fernsehsender der sich selber trägt. Das ökonomische Modell
hierfür bieten die bekannten Kleinanzeigenblätter, die in jeder
Stadt anders heißen. UTV will mit dem Ertrag der Anzeigen ein redaktionell
betreutes LowBudget -Programm am abend finanzieren. Auf dieser Frequenz
sollen sich der herbe Charme der bundesrepublikanischen Gegenöffentlichkeit
mit dem sprudelnden Leben von Straßen, Garagenverkäufern und
Telefonparties treffen. UTV könnte eine Mischung aus Offenem Kanal,
Flohmarktfernsehen und ambitioniertem Experimentierfeld für Theorie
und Kunst werden, bei dem alle Fernsehen machen könnten. Das Ende
der Utopie scheint vorhersehbar und programmatisch: Was besagt das Scheitern
keine Frequenz zu bekommen über die Machtverhältnisse in der
Medienlandschaft? Zu welchen Bedingungen und an wen werden Frequenzen
vergeben? Noch sendet die Vision auf anderen Kanälen: Mal ist es
ein Workshop auf, wie auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg,
mal eine 3-stündige Video-Wochenschau mit über 50 Beiträgen,
die nach dem Schneeballprinzip verteilt, in über 70 kommunalen Kinos,
Kneipen und privaten Fernsehparties im gesamten deutschsprachigen Raum,
lief.
FF: Was ist ein Fernsehsender?
UTV: Alles was empfangen wird, wurde einmal gesendet. Wir sind
ein Fernsehsender, den sie empfangen uns jetzt.
FF: Ich muß also kein Sender sein in dem Sinne, daß
ich irgendwelche Welle durch den Äther schicke, wie PRO7 oder SAT1?
Das könnte auch eine andere Form besitzen?
UTV: Meist ist die Hierarchie von Sendenden und Empfangenden vorstrukturiert.
Unsere Forderung ist, daß jeder senden und jeder empfangen kann.
Also das Fernsehen zu einem Ort des Austausches werden zu lassen. Was
die anderen Fernsehsender machen, ist ein bereits falsch gelaufenes Sender-Empfänger
Modell, das nur in eine Richtung fließt, weil eben die Sendemacht
in den Händen einer Elite liegt, die anderen werden zum Empfänger
degradiert. Das klingt jetzt natürlich sehr nach Brechts Radiotheorie,
die durch das ganze Gerede um interaktives Fernsehen eine neue Aktualität
bekommt. Nimmt man den Begriff "interaktives Fernsehen" ernst,
kann er für uns nur bedeuten die notwendigen Produktionsmittel allen
zugänglich zu machen.
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FF: Sie kommen aus dem Bereich der bildenden Kunst, warum wollen
sie eigentlich Fernsehen machen?
UTV: Weil uns plötzlich neue Ideen gekommen sind.
FF: Ist es nicht die pure Verzweiflung, aus dem Ghetto des Künstlers
ausbrechen zu wollen?
UTV: Hm. Nein. Wir sind ja Fernsehgucker, also bisher extreme Empfänger.
Wir sehen uns bei dem Entwurf von Unser Fernsehsender weniger als Künstler,
den als Zuschauer, die auf die andere Seite treten wollen. Selber etwas
hinzuzufügen scheint uns reizvoller, als weiterhin ironisch distanziert
davor zu sitzen. Dies scheint uns innerhalb der Kulturnischen von privaten
Sendern wie RTL oder Subventions-Blasen, wie Arte wenig reizvoll, da dort
ein Großteil der Energie in einem bürokratischen Sumpf technischer
und ökonomischer Sachzwänge versuppt. Da ist es einfacher und
effektiver einen eigenen Sender zu versuchen. Mittlerweile haben wir ein
Programmraster für eine Woche entwickelt, daß sich inhaltlich
und strukturell erheblich von den anderen Sendern unterscheidet. Vieles
davon richtet sich an Leute, die so lyrische Dinge in Anzeigen-Blättern
schreiben, wie: 40qm, 600 DM - warm.
FF: Künstler-sein ist immer verbunden gewesen mit einer bestimmten
Haltung, wie zum Beispiel, Kleinanzeigen in Annoncen-Blättern als
Lyrik zu lesen würde ich als künstlerische Haltung bezeichnen.
UTV: Ja?
FF: Ja!
UTV: Hm. Um das so zu lesen muß man nicht Künstler
sein. In dem Sinne wollen wir auch auf keinen Fall einen Kunstkanal, ganz
im Gegenteil, wir wollen endlich mal ernst genommen werden.
FF: Sie betreiben eine offensive Medienkritik, in der dieser Sender
erst einmal postuliert wird und gleichzeitig der Versuch gemacht wird,
bei der Landesmedienanstalt NRW eine Frequenz zu bekommen.
UTV: Wir dachten, das macht man so. Die Zeiten sind vorbei in
denen man als Künstler einen Backstein hinlegen konnte und behauptete,
das sei jetzt ein Sender. Also, wenn wir jetzt im ideologisch stark besetzten
Fernsehen etwas entwickeln, dann nehmen wir das und die Inhalte, die wir
durchsetzen wollen natürlich ernst. Also keine Videomätzchen
mehr um Galeriengänger damit zu erfreuen, wie abgedreht die Künstler
heute doch wieder sind. Wie wollen uns auf einem Grad bewegen, der, wenn
es geht, haarfein die Realität begrenzt.
Das Interesse von Leuten in der Fernsehbürokratie hat uns etwas überrascht.
Die Angestellten der Landesmedienanstalt oder des Wirtschaftsministeriums
finden das UTV-Konzept zwar verwunderlich, doch verblüffend einleuchtend.
Leider steht die Gesetzgebung noch im Wege. Zudem geraten sie angesichts
des digitalen TV und der hundert Kirch-Kanäle, also einer gigantischen
Infrastruktur ohne Inhalt, momentan selbst etwas ins Schleudern. Eine
solche Auseinandersetzung ist für uns interessanter als der saturierte
Kunstbereich, der momentan mit Happy-Art die Zeit totschlägt. Spaß
wollen und haben wir natürlich auch reichlich, aber uns interessiert
nicht ein klar abgestecktes Szenario in dem einer Witzchen vorführt,
sondern es geht darum das die Bühne für alle verfügbar
ist.
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FF: Aber in welchem Bereich bewegen Sie sich dann? Kunst- oder
Medienbereich?
UTV: Im Pendeln dazwischen liegt doch gerade die Chance, auch um unnötigen
Definitionen zu entgehen. Es wird eigentlich erst interessant, wenn man
die geschützten Räume der Kunst verläßt und Bereiche
betritt, in denen ganz andere, realere Spielregeln gelten. Im Umgang mit
diesen können wir natürlich auf unser künstlerisches Handwerkszeug
zurückgreifen oder auch Spielregeln unterlaufen. Die Patronentaschen
sind also gut gefüllt.
FF: Es geht aber darum, den Punkt zu erreichen, bis wohin man gehen
kann und diesen Punkt genau zu benennen.
UTV: Interessant ist für uns der Punkt an dem man einer kapitalistischen
Logik so sehr widerspricht, daß das System Einhalt gebietet, da
sonst das Spielfeld zu sehr durcheinander geraten würde. Andererseits
stoßen wir schon dadurch an die Grenzen, daß wir weder Kapital
noch wirkliche Produktionsmittel besitzen.
Spätestens bei diesen Spielregeln wird klar, daß es um Macht
und Ausschlüsse geht, daß Kunst immer nur ein zugewiesenes
Gebiet scheinbarer Freiheit ist. Meldet der Künstler gesellschaftliche
Ansprüche an, geht plötzlich nichts mehr.
FF: Bei dem Modelle eines Fernsehsenders, der sich durch Kleinanzeigen
finanziert, werden Märkte gefördert, die bei der Steuer gar
nicht mehr auftauchen.
UTV: Unseres Erachtens liegt in diesen Grauen Märkten die Zukunft,
oder genauer, ein Zwischenstadium dorthin. In dieser neuen ökonomischen
Realität und der damit verbundenen Schrumpfen der Kontrolle liegt
für uns ein gesellschaftsveränderndes Potential.
FF: Es geht schon darum Kontrolle zu hintertreiben?
UTV: Das geschieht ganz von selbst, aber man kann es forcieren. Vielleicht
entsteht dabei auch eine Art Historiengemälde der momentanen Auflösung
eines Systems.
FF: Dann gibt es bei Ihnen also doch noch so etwas, wie ein Künstlerselbstverständnis?
UTV: Sicher, aber das ändert sich auch gerade mit dem Prozeß
der in der Wirtschaft Downsizing, oder auf gut deutsch "gesund schrumpf"
genannt wird. Konkret heißt das, der Markt für den akademisch
geschulten Künstler wird immer enger und existiert meist überhaupt
nur noch in seiner Simulation. Wir haben keine Lust das zu beklagen. Es
ist weder interessant, den versiegenden Subventionstropf des Staates anzubetteln,
noch dem zynischen Spaßkapitalismus, bei dem die Kunst in den 80er
Jahren mal mitmachen durfte, nachzuweinen. Wir sind eher heilfroh, daß
das jetzt vorbei ist. Die anstehende Neudefinition dessen was an Öffentlichkeit
oder notwendiger Ökonomie für Künstler möglich ist,
sehen wir eher als Chance. Auch weil das ersteinmal schnellen und billigen
Spaß verspricht. Wer weiß, vielleicht heizen wir in zwei Jahren
unseren eigenen Rokkoko-Club mit den letzten Holzgehäusen von Fernsehern.
FF: Was macht UTV momentan?
UTV: Momentan arbeiten wir an dem Projekt "Hits Clips und
volle Kassen", die UTV Hitparade der Straßenmusikanten, mit
Live-Acts auf der Photokina. Aus der Aufzeichnung ihres Auftritts und
zur Förderung weiterer Engagements produzieren wir für sie Präsentations-
und Werbevideos. Was planen wir noch? Ein Stadtteilfernsehen in Sankt
Pauli und eine Theorie-Soap in Frankfurt. Dann müssen wir noch den
Antrag für die Erstellung eines Gutachtens über die Rentabilität
unsres Konzeptes tippen...

* Hans-Christian Dany, Stephan Dillemuth und Joseph
Zehrer
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