Keine Entscheidungen und Ausbildungen



Wie schon letzten Sommer will ich versuchen, mir etwas zum Thema Akademie zu überlegen. Wie vor einem Jahr muß ich dabei aber immer an die Gegenmodelle denken, die sich vor einigen Jahren entwickelt haben und wie sie mit Akademieproblemen zusammenhängen. Nur ist das jetzt noch komplizierter geworden. Ich fange also mit der Abschrift des Vortrags an:

Zuerst will ich was zum Titel sagen, 'die linken und rechten FreundInnen der Akademie', den ich genommen habe, als ich mir vorgenommen habe, einen Vortrag zu halten, und ich nicht wußte, was ich zum Thema Akademie sagen will. Es gab in Köln einen Vortrag von Christoph Kind, Titel: "Die politische Ökonomie: der Kapitalismus und seine linken und rechten Kritiker". Auf der typischen Suche nach einem Titel habe ich Kapitalismus in Akademie verändert und KritikerIn in FreundIn. Dann habe ich allerdings einen Schreck bekommen, weil mir klar geworden ist, daß von rechten und linken FreundInnen zu sprechen in der Tendenz heißt, daß man sich in der Mitte aufhält... Ich hatte ein Flugblatt, Titel "Akademien haben viele Freunde" mit einem langen Zitat von Richter, in dem er die Akademiesituation beschreibt, in der alle StudienbewerberInnen verdorben werden, die Ministerien und der Staat betrogen und belogen wird durch die Situation, in der es nur ein System von Inzucht und Langeweile gibt, ein aufgeblasenes System- nur Schwachsinn, nichts passiert und die Studenten werden von diesem Schwachsinn besudelt. lch will sagen, daß in diesem Sinne Gerhard Richter ein Freund der Akademie ist, und zwar, nur für dieses Beispiel, ein typisch rechter. Es gibt rechte KritikerInnen, die gegen den Kapitalismus sprechen, daß es da einen kulturellen Mangel gibt, sie sagen, daß der Kapitalismus kulturzerstörerisch sei. Es gibt Kritikerlnnen, denen was auf der Akademie fehlt, FreundInnen, die sich nicht von ihr trennen wollen. Für die rechte Idee einer Akademie kann man immer besonders eines sehen, das ist die Kultivierung von Privatindividuen.

Ich habe versucht eine Recherche zu machen, was Akademien im 19. und 18. Jahrhundert für Probleme gehabt haben. Und im 20. Jh gibt es das Problem der ständigen Kritik an der Akademie, als Schule der Kultivierung von Privatindividuen und der intellektuellen Depression. Das hat sich auch verstärkt, indem es zu ihrer Bedingung geworden ist, das auch als Privileg darzustellen, das was man immer als isolierte, autonome, in sich geschlossene Welt bezeichnet. Wenn das natürlich ziemlich bald auf die Nerven geht, meint man, das sei ein ziemlich veraltetes, marodes System, und man kommt schnell auf einen Irrweg. Denn ist es nicht Teil eines ziemlich modernen Systems, ein alter Teil darin? Es gibt eine andere Seite der Kritik, oder Freundschaft der Akademie, mit dem Ziel nämlich, man müsse sie verbessern. Die Verbesserungsvorschläge kommen ja meistens von der Seite, die erst einmal Modernisierung und neue Programme entwickeln will, so etwas wie zB interdisziplinäre Hochschulen, Modernisierung im technischen Bereich. Man könnte hier im zweiten Fall davon sprechen, daß übergeordnet das Programm die Idee ist, statt dem Verbesserungsprogramm der Akademie: die Verbesserung der Institutionen, der Gesetze, statt der Verbesserung des Einzelnen.

Ich wollte darauf beim Vortrag näher eingehen, auf diese Probleme der "linken" FreundInnen der Akademie, zB zum Zweck der Verdrängung der Politik als destruktivem Element.

Jetzt nehme ich etwas aus meinen alten Heften, vielleicht war das Thema vor Jahren interessanter? Wenn ich nicht einmal sagen kann, was mich jetzt wieder Monate nach der Münchner Sommerakademie noch weniger daran interessiert?

Wer sich mit Theorie beschäftigt, sagt oft, daß gerade in der Praxisferne von Theorie ihr Vorteil läge, man käme zu Ergebnissen, die unter Zeitdruck nicht hätten entstehen können. Oder daß Kategorien wie Pragmatik oder Effizienz ausgeblendet werden würden. Und es sei einem theoretischen Interesse am Symbolischen zu verdanken, daß politische Aktionen nicht nur buchhalterisch nach dem was sie eingebracht haben, bemessen werden. Die Frage sei, wo es zu einer Realität wird oder reale Effekte nach sich zieht. Das führt zu einem Spekulieren, man könnte sich der Mitteln des Staates bedienen. (Um die Zensuren des Marktes zu umgehen?) Hat man dabei aber nicht vergessen, daß gerade zu diesem Zeitpunkt das Interesse des Staates an Eingriffen begonnen hat.

Aber bei all dem habe ich auch nicht das Gefühl, etwas zu haben was ich jetzt später wirklich gerne sagen und analysieren möchte. Da wären Entscheidungen zwischen Scheingegensätzen zu fällen. Also muß man sich einen Wunsch erfinden.

Wir sind uns immer leicht einig, die Kunstakademien sind für die Ausbildung von Eliten zuständig (Für ihre rechten FreundInnen natürlich unzuständig). Sie haben sich in ihrem Selbstverständnis unteren Klassen übergeordnet, die darüber nicht verfügen sollen. Auch wenn uns die Vorstellung schwer fällt und wir uns meistens nicht für zuständig halten. Man kann danach leicht weitergehen und die Fortsetzung im freien Künstlerleben wiederfinden, die gleiche Aussonderungsmaschine, zB zur Verhinderung abwertender Gedanken, der Verhinderung des Verlusts der Begrifflichkeit.

Was war aber mit allen unseren Abtrennungsversuchen? Ich drehe die Zeit wieder zurück: Die bisweilen eingebildeten selbstorganisierten Kulturen, Gegenkulturen mitten in der Hochkultur, die sich selbsternannt einstellen, alternativ-institutionelles Arbeiten? Eine Fantasie, die zur Ausbildung beiträgt.

Das Argument für die Akademie, daß man aufhört allein vor sich hin zu arbeiten... die kollektive Produktion neuer Maschinen. Oder im Irrtum leben, selbst unterdrückt zu sein, obwohl man die Unterdrückung frei wählen kann, oder nichtakademischen Kulturen vorwerfen, daß sie sich separieren. Was heißt es, dagegen Widerstandskraft zu entwickeln, eine Widerstandskraft auch zur Förderung der Selbstbestimmung? Auch in bezug auf die Ausbildung der Selbstorganisation, die sich aus dem permanenten akademischen Ausbildungskreislauf rausbewegt? (Ob nicht eine akademische Konditionierung der Selbstbestimmung vorausgehen mußte?) Wenn's stimmt, daß diese Selbstorganisation, von der hier die Rede ist, organisiert, konditioniert und auf Exklusivität beschränkt ist, in die Trennung derer, die diese Funktion ausfüllen können, dürfen, sollen und zu ihren Funktionären werden. Schon im Prozeß der Theoriebildung, hier keiner besonderen Theorie, sondern der der Produktion vorausgehenden Überlegung, können akademische Artikulationen zerstört werden, das ist der ideologische Rohstoff, und nicht im Terrain argumentieren das schon bereitet ist oder deren Äußerungen rekonstruieren. Wie sollten FunktionärInnen die Organisation dieser (weiteren) Akademie in Frage stellen können?

Und auch die Selbstablehnung, die man sich gegenüber als alternativer Künstler betreibt, darf nicht Aggressionen gegen das eigene Spiegelbild erzeugen, gegen die alternative selbstorganisierte Szene.

ln dieser Akademie für die wir selbst selbstorganisiert ein Subterrain errichteten, können wir weiterarbeiten, die eigene Praxis aus der Nähe betrachten, oder eine Bürokratie und deren FunktionärInnen ausbilden, zur Organisation der Stellvertreter und Nachfolger, die zumindest kulturell subventioniert wird. Das Ärgerliche ist für mich, ich will nicht den Gegensatz mitdenken, der nachdrängt, für Politik kritische Identität aufgebaut hat, sobald wir aber über Kunst reden, Politik ersetzen möchte, oder wie der Beobachter spricht, der schon immer alles gewußt hat: was ist damit gemeint zB: Politik kann von Kunst was lernen. Der Künstler, der uns stört, dieser Begriff sollte sich desartikulieren lassen, damit weitergeredet werden kann, indem man sich nicht auf die subjektive Seite abdrängen läßt, dem Terrain, in dem man sich auf die KünstlerIn als fortwährende Konstante bezieht, in dem er immer neu ausgeheckt wird und sich immer neu endzielmäßig aus der Kunstgeschichte zB heraus auf den Begriff bringt. Es gibt auch in diesem Neoakademieraum eine Kette von Äußerungen, die so die entsprechende reaktionäre Struktur bilden. Schrecklich ist vor allem diese Unbeweglichkeit und der verspielte Ansatz, was für eine Bedeutung das Medium Kunst selbst in den letzten Jahren bekommen hat.

Bei dem, was sich aus dem Terrain der gegenkulturellen Gruppenakademie in den letzten Jahren in der Kunstszene ausgebildet hat: die FunktionärInnen, die als StellvertreterInnen damit beschäftigt sind, auch oppositionelles Potential zu organisieren, umsetzen und Herrschaftsformen annehmen, oder, Gegenteil, den alten individuellen, vielleicht anarchischen europäischen Künstler reorganisieren wollen. (Man kann also nur über diese prekären Dinge reden, wenn man über sich selbst redet.)

Die Grenze der Kulturpolitik ist leider meistens die KünstlerIn und sein /ihr Werk. Aber diese alte Werkkunst, die Iäuft sich so oder so leer und man kann sie nicht mehr als harten Kern bezeichnen. Obwohl politisch sich nicht viele darangewagt haben. Wer wegen seiner Lebensform nicht in diesen Hochkulturdarstellungsbereichen arbeitet, für die sind alle diese Künstlerprobleme eh uninteressant. Für die Beteiligten sind sie aber unumgänglich. Es gibt gegenöffentliche Werkproduktion, für die diese Bewertungskriterien nicht gelten dürfen.

Plötzlich reden wir über Reform: Wenn man nicht gerade die technokratische oder gesetzgebende Reform meint, meint man mit reformistisch meistens die Vorschläge zu einer Beteiligung an akademischen Institutionen, oder meint, mit reformverdünnter Sprache zu reagieren, und die Verteidigung der Reform zu übernehmen, weil sonst noch Schlimmeres droht. Aber zu diesen Entscheidungen kann man sich nicht zwingen lassen. Heute spielen Reformen eine andere Rolle.

Eine Akademisierung wie sie in selbstorganisierten Projekten durch Auseinanderlaufen der Rollen stattfindet. Dieses Selbst meint immer etwas zu sein, was es in Wirklichkeit nicht ist. Entscheidender ist die Verarbeitung dieser Verkennung. Das erzeugt Autonomie bei reformistischen Entscheidungen und deren Akademisierung. Um sich selbst zu organisieren- sich erst von sich selbst und seiner Klasse und Elite befreien. Das ist nicht ohne Partner möglich. Die Gewalt der Akademie erscheint dann nicht mehr als Fluch oder Unglück, dem man zum Opfer gefallen ist: Lachen über die Akademie. Dann gibts die Selbstenteignung im Prozeß der Aneignung und die selbstverlorene Negationsutopie.

 


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