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 KUHLE WAMPE

Regie und Buch Slatan Dudow, Bertolt Brecht und Ernst Ottwalt. Musik Hanns Eisler. Grundkonzeption: 'In diesem Film stehen sich das Kleinbürgertum und die politisch bewußte Arbeitersportbewegung gegenüber. Gezeigt wird das Wachsen der Jugend aus kleinbürgerlicher Enge in die proletarische Solidarität'.

Uraufführung am 14. Mai 1932 in Moskau. Deutsche Erstaufführung 30. Mai 1932 in Berlin, dann in 13 weiteren Berliner Kinos. Ende 1932 in anderen europäischen Großstädten zu sehen. 1934 in New York

Nach der Uraufführung in Moskau wurde der Film dort nicht mehr gezeigt – gemessen an sowjetischen Verhältnissen ging es den Arbeitern im Kapitalismus, die im Film z. B. Motorräder hatten, „zu gut“.

Kurz nach seinem Erscheinen in Berlin wurde die Aufführung des Films verboten, weil „der Bildstreifen nach seinem Gesamteindruck und seiner Gesamtwirkung bei der notwendigen besonderen Berücksichtigung der gegenwärtigen Zeitumstände geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung und lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden.“

1933 wurde der Film unter Bezugnahme auf die Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat eendgültig verboten, bis 1958 galt er als verschollen, danach war er in der DDR wieder zu sehen. In der Bundesrepublik wurde er 1968 vor dem Hintergrund der Studentenbewegung wieder gezeigt. Die zensierten Stellen bleiben verschollen.


 KRITIKEN

Jerzy Toeplitz, "Geschichte des Films: Schöpfer des Films war ein junger Bulgare, der in der deutschen Hauptstadt Theater- und Filmkunst studierte: Slatan Dudow. Mit einer kleinen Handkamera hatte er einen Dokumentarstreifen über die Wohnverhältnisse des Berliner Proletariats gedreht, der den Titel trug: 'Wie wohnt der Berliner Arbeiter?' Der Dokumentarfilm gab den Ansporn, einen Spielfilm zu drehen. Das Szenarium verfaßten Bertolt Brecht und Ernst Ottwalt, die Musik schrieb Hanns Eisler. Die Grundkonzeption von 'Kuhle Wampe' umriß der Regisseur wie folgt: 'In diesem Film stehen sich das Kleinbürgertum und die politisch bewußte Arbeitersportbewegung gegenüber. Gezeigt wird das Wachsen der Jugend aus kleinbürgerlicher Enge in die proletarische Solidarität'.

Reclams Filmführer: "'Kuhle Wampe' war der einzige eindeutig kommunistische Film der Weimarer Republik. Er wurde unter großen Schwierigkeiten unabhängig produziert. Rund ein Viertel der Szenen mußte in zwei Tagen abgedreht werden. Nach seinem Erscheinen wurde der Film von der Zensur verboten, weil er angeblich den Reichspräsidenten, die Justiz und die Religion beleidige. Nach heftigen Protesten von Künstlern und Kritikern u. a. und einigen Schnitten wurde das Verbot aufgehoben. Brecht machte später dem Zensor das ironische Kompliment, er sei einer der wenigen gewesen, die den Film wirklich verstanden hätten. Er habe z. B. ganz klar gesehen, daß der Selbstmord des jungen Arbeitslosen nicht individuell, sondern 'typisch' gemeint sei.

Karsten Witte, "Brecht und der Film": "Schon die Eingangssequenz, die Jagd nach Arbeit, hat seit eh als beste des Films gegolten. 'Halbnah, fahrende Räder, angeschnitten, so daß man nur die kräftig in die Pedale tretenden Beine sieht' (42. Einstellung). Dieses Bild demonstriert die hoffnungslose Jagd und visualisiert in der folgenden Szene den allgemeinen ökonomischen Abstieg. (...) Ähnlich der gleich bedeutenden Fließbandsequenz aus Chaplins 'Modern Times' zeigt diese filmische Metapher die Opfer des kapitalistischen Wirtschaftssystems, nur von der Kehrseite: statt der rationalisierten Produktion den rationalen Leerlauf.

Lexikon des internationalen Films: Der einzige offen kommunistische Film der Weimarer Republik (...) Ein formal brillanter Agitationsfilm (...) Als Dokument der verworrenen politischen und geistigen Verfassung jener Zeit und für filmhistorische Diskussionen auch heute noch interessant.


https://www.helmut-g-asper.de/index.php/2013-05-21-08-11-50/kuhle-wampe

 EIN FILM GEGEN DIE ARBEITSLOSIGKEIT: „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“ (1932)

Eine Zeitungsnotiz über den Selbstmord eines jungen Arbeitslosen, der seine Armbanduhr abgelegt hatte, bevor er sich aus dem Fenster stürzte, regte den jungen bulgarischen Theater- und Filmemacher Slatan Dudow an zu einem Film über die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland als Folge der Weltwirtschaftskrise. Für seine Idee interessierte er Bertolt Brecht, dessen Mitarbeiter Dudow seit 1929 war, und die kommunistische Filmgesellschaft Prometheus. Gemeinsam verfassten Brecht und Dudow ein Exposé, in dem als 1. Episode der Selbstmord unter dem Titel „Ein Arbeitsloser weniger“ dargestellt ist, auch die 2. Episode „Das schönste Leben eines jungen Menschen“ zeigt wie später im Film die Exmittierung der Familie, den Umzug in die Zeltsiedlung „Kuhle Wampe“ und die Verlobungsfeier, deren Ausarbeitung auf Brechts frühem Stück „Die Hochzeit“ basiert.

Während Dudow, Brecht und der hinzugezogene kommunistische Schriftsteller Ernst Ottwalt im Sommer 1931 am Drehbuch „Weekend – Kuhle Wampe“ arbeiteten, verschärfte sich in Deutschland die Wirtschaftskrise mit ihren verheerenden Folgen für Millionen Menschen. Schon zu Beginn des Jahres war die Zahl der Arbeitslosen auf fünf Millionen gestiegen, im Juli brachen mehrere Banken zusammen und die Schalter von Sparkassen und Banken wurden vorübergehend geschlossen. Die Aktualität ihres Films betonten die Autoren, das Drehbuch beginnt mit einer polemischen Montage: auf Bilder von luxuriösen Schaufenstern mit Delikatessen folgen Zeitungsartikel mit den aktuellen Arbeitslosenzahlen vom Jahresbeginn 1931. Diese Polemik ist im Film zurückgenommen, an Stelle der Schaufensteraufnahmen sieht man das Brandenburger Tor, dann folgen Bilder von Fabriken, Häusern und Hinterhöfen, bevor die Zeitungsmeldungen zum Thema Arbeitslosigkeit überleiten. Die Arbeitslosen warten auf die Zeitung mit Arbeitsangeboten, dann beginnt die ebenso verzweifelte wie vergebliche Jagd nach Arbeit - eine eindringlich gefilmte und montierte stumme Sequenz, nur begleitet von Hanns Eislers stark rhythmisierter Musik, die die Fahrräder anzutreiben scheint.

Diese Anfangsszene war Ende Mai 1932, als „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt“ zehn Monate nach Beginn der Dreharbeiten im August 1931 endlich in die Kinos gelangte, noch viel aktueller geworden, inzwischen waren die Arbeitslosenzahlen auf über sechs Millionen gestiegen und durch Notverordnungen hatten die Menschen einschneidende Kürzungen hinnehmen müssen.

Auch der Film selbst war in den Strudel der Wirtschaftskrise und der sich verschärfenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geraten.

Weil die Prometheus Mitte 1931 bereits in Schwierigkeiten war, mussten die Dreharbeiten wegen Geldmangels mehrfach unterbrochen werden, auch konnten mehrere im Drehbuch vorgesehene Szenen vermutlich aus diesem Grund nicht gedreht werden und ohne den unentgeltlichen Einsatz der 4000 Arbeitersportler hätte das proletarische Sportfest gar nicht gedreht werden können. Auch mussten die Filmemacher einen Eigenanteil von 50.000 RM aufbringen, die der Produktionsleiter Georg Höllering von einem reichen Privatmann erhielt, der ursprünglich im Film mitwirken wollte. Die prekäre Lage der Prometheus nutzten die Filmemacher zu ihrem Vorteil: Sie setzten einen Vertrag durch, “der uns, die Hersteller, zu den Urhebern im rechtlichen Sinn machte. Dies kostete uns den Anspruch auf die übliche feste Bezahlung, verschaffte uns aber beim Arbeiten sonst unerlangbare Freiheiten.“ wie Brecht später schrieb. Die Filmproduktion von „Kuhle Wampe“ war somit ein experimentelles Gegenmodell zu dem in der Filmindustrie üblichen Verfahren der „Umschmelzung geistiger Werte in Waren“, gegen das Brecht gerade vergeblich im „Dreigroschenprozess“ protestiert und prozessiert hatte.

Diese Freiheit ermöglichte es dem Filmkollektiv in „Kuhle Wampe“ Brechts Idee vom „nicht-aristotelischen“ Film verwirklichen, denn nach der Auseinandersetzung um den “Dreigroschenoper”-Film hatte Brecht “Vorschläge zur besseren Verwendung der Apparate im Interesse der Allgemeinheit” entwickelt. Ähnlich wie für das epische Theater lehnte er auch im Film Einfühlung, psychologische Motivierung und individuelle Charaktere ab, und forderte stattdessen Montage, Autonomie der einzelnen Szenen, Unterbrechung der Handlung und Reflexion durch Einsatz von Songs. Die Schauspieler sollten Distanz zu den dargestellten Charakteren halten, denn der Film müsse “einfach bereitstehende Typen” verwenden, “die in bestimmte Situationen kommen und in ihnen bestimmte Haltungen einnehmen können.” An der Verwirklichung seiner Vorschläge hat Brecht intensiv bei den Dreharbeiten mitgewirkt, Höllering erinnerte sich, dass Brecht häufig mit den Schauspielern probte, bevor Dudow und der Kameramann Günther Krampf die Szenen drehten. „Kuhle Wampe“ hat keine durchgehende Handlung und keine Identifikationsfiguren, obschon man einigen Protagonisten im Verlauf des Films mehrfach begegnet. Der Film besteht „aus vier selbständigen Teilen”, die nur lose miteinander verbunden sind. Die erste Episode schildert die Jagd nach der Arbeit und den Selbstmord des jungen Arbeiters Bönike; in der zweiten Episode werden die kleinbürgerlichen Verhältnisse in der Zeltsiedlung Kuhle Wampe und die Verlobung von Anni (Hertha Thiele) und Fritz (Ernst Busch) dargestellt; das proletarische Sportfest in der 3. Episode „Wem gehört die Welt?“ hat eindeutig politischen und klassenkämpferischen Charakter, wie Brecht betonte, was u.a. durch den Auftritt der Berliner Agitprop-Gruppe „Das Rote Sprachrohr“ unterstrichen wird. Im letzten Teil, der Heimfahrt vom Sportfest in der S-Bahn, fordern die Arbeitersportler in der Diskussion mit älteren Fahrgästen, die unterschiedliche politische Positionen vertreten, die Welt zu verändern. Ihre Forderung bekräftigt das zum Filmschluss von Busch und dem Berliner Arbeiterchor gesungene „Solidaritätslied“ von Brecht und Eisler, mit dem auch die Zuschauer zum solidarischen Handeln aufgefordert werden.

Als etwa 10% des Films noch gedreht werden mussten, machte die Prometheus Ende 1931 Pleite: „Das Labor weigerte sich, noch irgendetwas für uns zu tun. Die Schneideräume, alles war für uns geschlossen.“ erinnerte sich Höllering, der dem in Berlin weilenden Schweizer Produzenten Lazar Wechsler das bis dahin gedrehte Material vorführte und der daraufhin mit seiner Praesens-Filmgesellschaft alle weiteren Kosten übernahm. „Kuhle Wampe“ wurde im Februar 1932 fertig gestellt und der Zensurbehörde vorgeführt, die den Film Anfang März 1932 prompt verbot - was bei einem Film, der sich nicht mit der Schilderung der sozialen Verhältnisse begnügte, sondern Partei ergriff und den Zuschauer zur Veränderung eben dieser Verhältnisse aufrief, nicht überraschen kann. „Kuhle Wampe“ enthalte „zweifellos eine kommunistische Tendenz“ stellte das Ministerium ganz zu Recht fest und sei um so gefährlicher, als diese „nicht so grob und stark aufgetragen“ sei, außerdem wirke der Film „in wesentlichen Teilen entsittlichend“ – gemeint war eine harmlose Nacktbadeszene und ein Kondomwerbung - und sei überhaupt geeignet „die öffentliche Sicherheit und Ordnung und lebenswichtige Interessen des Staates“ zu gefährden. Auch in der Berufungsverhandlung, an der Brecht, Dudow und Ottwalt teilnahmen, bestätigte die Oberprüfstelle das Verbot, erst nach massiven öffentlichen Protesten und der Kürzung einiger beanstandeter Szenen und Inserts, wurde „Kuhle Wampe“ endlich freigegeben, die Uraufführung fand im Mai 1932 in Moskau statt. Dort stieß der Film auf völliges Unverständnis, denn für die russischen Zuschauer war ein Arbeitsloser, der ein Fahrrad und eine Uhr besaß, ausgesprochen wohlhabend. Die Berliner Erstaufführung im „Atrium“ war dagegen ein Erfolg, in der ersten Woche sahen bereits 14.000 Besucher den Film und die Praesens startete „Kuhle Wampe“ in weiteren 15 Berliner und zwei Hamburger Kinos.

Doch hat dieser bedeutendste proletarische Spielfilm der Weimarer Republik trotz auch internationaler Anerkennung, keine Wirkung entfalten und auch keine Nachfolger finden können, denn nicht einmal ein Jahr später wurde der Film im März 1933 von den Nazis endgültig verboten. Fast alle Mitglieder des Filmkollektivs und mehrere Schauspieler mussten ins Exil fliehen: der Produzent und Gründer der Prometheus, Willi Münzenberg, die Autoren Brecht und Ottwalt, der Regisseur Dudow, der Komponist Eisler, der Produktionsleiter Höllering, der Kameramann Günther Krampf, die Schauspieler Ernst Busch, Hertha Thiele und Helene Weigel sowie die Kleindarsteller Erwin Geschonnek, Hermann Krehan und Fritz Erpenbeck. Damit markiert „Kuhle Wampe“ auch das gewaltsame Ende der proletarischen Spielfilmarbeit in der Weimarer Republik, für deren „Verstärkung und Verbreitung“ Münzenbergs Prometheus bei ihrer Gründung 1925 angetreten war.

Erstveröffentlicht unter dem Titel: Ein Film gegen die Arbeitslosigkeit: Vor 80 Jahren wurde „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“ fertig gestellt. In: Film-Dienst, H. 3/2012, S. 18 – 20


 ENGLISH SUMMARY

Berlin at the beginning of the 1930s: a working class family can no longer cope with the terrible economic conditions. After looking long and unsuccessfully for work, the son is informed that his unemployment benefit has been cut. He throws himself out of the window. Since the daughter Anni is the only one who still has a job, the family no longer has enough to pay the rent and is evicted from the flat. Anni's friend Fritz lodges the family in the summerhouse colony "Kuhle Wampe". Another problem arises on top of all those that already exist: Anni is expecting a baby. Fritz wants to persuade his girl friend to have an abortion, but an older friend talks him out of his intention. The couple celebrate their engagement in the summerhouse. However, Fritz does not wish to get married, for he is afraid of the stress imposed by a marriage, particularly with regard to his job. Anni decides to leave him and live alone in Berlin. The two chance to meet again at a large workers' sports festival and decide to risk a resumption of their relationship. On the way home in the city train, they listen to a heated political debate between workers and members of the middle-class.

"The film contrasts the petty bourgeois world and the politically conscious workers' sports movement. It shows how young people grow out of the middle-class confines into proletarian solidarity," as Slatan Dudow explained. The young Bulgarian director studied dramatic and film art in Berlin. This confrontation, which climaxes in the workers' sports festival, is not necessarily one of the strengths of KUHLE WAMPE. Seen through today's eyes, the film's most intense passages are concentrated in the first of the three chapters whose despairing irony is summarized in the insert headline "On political duty, particularly when he accuses older workers of sympathizing with the SPD while the NSDAP is only mentioned on one single occasion in the entire film, as the camera glances towards the Nazi newspaper "Völkischer Beobachter". Historically speaking, this criticism is naturally easier to understand from the point of view of the Marxist director and his script writers; the third part of the film "Who owns the world" must also be seen in a historical light, for Dudow handles the solidarity images of the worker's sports festival in a highly demonstrative manner, although he clearly could not have dreamt that precisely such rituals would be misused for other purposes by the Nazis only a few years later. The dilemma of the times is captured fairly accurately by the final debate in the train.

KUHLE WAMPE is the only clearly communist film produced during the time of the Weimar Republic. It was produced under exceedingly difficult economic conditions which have left their mark on the film. It was originally banned by the censors because it was apparently an insult to the Reich President, the judiciary and religion. Bertolt Brecht sarcastically agreed with the censor: he was one of the few who had interpreted the film correctly; the young jobless man's suicide, for instance, was not an individual act, but typical of the situation of an entire class.

In addition to the film's courageous theme, its historical importance lies in the use of sound to counterpoint the scenes rather than to illustrate them. Hanns Eisler's music in particular creates a didactic ally effective, yet unobtrusive distance between the events and the viewer.

Hans Günther Pflaum


Neue Montags-Zeitung, 14. April 1932

FASCHISTISCHE FILMZENSUR: DAS VERBOT VON "KUHLE WAMPE"

Das Verbot des Films "Kuhle Wampe", darüber muß man sich klar sein, ist ein schwerer Schlag - nicht nur für die betroffene Firma selbst, die den Film in einjähriger, mühevoller Arbeit hergestellt hat, sondern auch für alle die, die dem Bankrott der bürgerlichen Produktion, ihrem künstlerischen und finanziellen Bankrott, etwas Positives gegenüberzustellen versuchen. Hier endlich schienen alle Voraussetzungen erfüllt, um auf einer neuen kollektiven Grundlage, wie sie von Brecht, Ottwalt, Eisler und Dudow geschaffen wurde, den Kampf gegen die herrschende Geschmacksverwilderung mit Erfolg aufzunehmen. Schon dies allein hätte der Filmprüfstelle genügen müssen, um ein Werk, dessen künstlerische Gesinnung außer Zweifel steht, mit allen Mitteln zu unterstützen. Aber die Kreise rings um den Reichsinnenminister Groener, die hinter den Kulissen der Filmzensur arbeiten, haben kein Interesse daran, sich schützend vor den deutschen Film zu stellen. Immer wieder hat man nach Gründen gesucht, die ein Verbot von "Kuhle Wampe" rechtfertigen könnten. Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Lächerlichmachen der Kirche, Lächerlichmachen der Sozialdemokratischen Partei - das alles ist derart an den Haaren herbeigezogen, daß es sich nicht lohnt, auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Sprechen wir über den Film selbst. "Kuhle Wampe" ist kein einheitliches, kein geschlossenes Werk, es hat viele Fehler, künstlerische und ideologische Fehler, über die wir aus Gründen der proletarischen Selbstkritik nicht hinwegsehen dürfen. Aber als Ganzes ist der Eindruck außerordentlich. Kein Spielfilm im üblichen, im bürgerlichen Sinne, sondern ein proletarischer Film, der unter Proletariern spielt und von Proletariern dargestellt wird, eine Reportage aus dem Leben jener fünf Millionen, vor denen sich die Fabriktore geschlossen haben. Drei Schauplätze, drei Situationen werden umrissen: Arbeitslosigkeit, Kleinbürgersiedlung, Arbeitersport. Daß diese drei Teile nicht immer zusammengehen, daß sie ideologisch nicht klar genug gegeneinander abgegrenzt sind und vieles von dem, was in diesem Zusammenhang hätte gesagt werden müssen, ungesagt bleibt, ist ein Fehler, der sich teils aus Zensurgründen, teils aber auch aus der Tatsache erklärt, daß Brecht erst auf dem Umweg über die Theorie den Kontakt mit der Arbeiterbewegung gefunden hat. So kommt es, daß die Hauptfigur in diesem Film, jener junge, von Ernst Busch gespielte Proletarier, weder psychologisch noch klassenmäßig richtig gesehen ist. Alles an dieser Figur bleibt unklar: ihre Entwicklung, ihre Existenz, ihr soziales Bewußtsein.

Großartig aber wird der Film überall dort, wo er in knappen, charakteristischen Ueberblendungen eine Massenbewegung, eine Massenstimmung zum Ausdruck bringt. Die Bilder der Arbeitslosen, die auf Fahrrädern von einer Fabrik zur andern hetzen, das Biergelage in Kuhle Wampe, das allerdings ebenso isoliert steht wie jener, für sich betrachtet, großartige Ausschnitt aus dem Meeting der proletarischen Sportverbände - das alles sind, zusammen mit der prachtvollen Begleitmusik Hanns Eislers, Momente von seltener, künstlerischer Eindringlichkeit.

Dieser Film, gewiß noch keine Erfüllung, wenn man ihn vom marxistischen Standpunkt aus betrachtet, aber als künstlerischer Vorstoß, als Versuch, eine neue Ideologie im Film herauszustellen, etwas durchaus Einmaliges und Besonderes, dieser ernste, sachliche, nichts als berichtende Film ist von der Zensur verboten worden. Ein Beweis mehr, daß jener preußische Minister neulich recht hatte, als er sagte, daß es nicht Aufgabe des Staates sein könne, Kultur zu machen. Nein, dieser Staat, diese Gesellschaftsordnung, kennt nur eine Aufgabe: zu verbieten, was neu und wichtig und produktiv ist. Verboten wird, wenn ein Film jenen fünf Millionen, die nicht mehr wissen, wovon sie leben sollen, etwas Sonne, etwas Licht, etwas Freude und Optimismus geben will. Verboten wird, wenn er ihnen zeigt, wo der Ausweg ist, und daß sie gemeinsam den Kampf um ihre Existenz aufnehmen müssen. Gefährdung der öffentlichen Sicherheit? Es gibt nichts,was geeigneter wäre, die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr zu gefährden, als solche, am laufenden Band verfügten Notverordnungen und Verbote. [h. s.]


Neue Montags-Zeitung, 6. Juni 1932

 NACHWORT ZU "KUHLE WAMPE"

An demselben Tage, an dem in Deutschland das Kabinett Brüning gestürzt wurde, ist der Film "K u h l e W a m p e" mit großem Erfolg uraufgeführt worden. Auf die Bedeutung dieser Kollektivarbeit von Brecht, Ottwalt, Dudow, Eisler ist an dieser Stelle bereits mehrfach hingewiesen worden. Es ist der erste proletarische Sprechfilm, der in Deutschland gedreht wurde, und wenn man bedenkt, unter welchen Schwierigkeiten er zustande kam, so kann man nur bedauern, daß er nicht schon zehn Jahre früher gedreht worden ist. Vielleicht wäre dann manches noch schärfer, noch eindeutiger, noch progammatischer ausgefallen. Und vielleicht wären auf diesen Film andere gefolgt, die diese Anregungen aufgenommen, ausgebaut und weiterentwickelt hätten. Heute, wo die Zensur nicht einmal mehr erlaubt, daß in einem proletarischen Film proletarische Zeitungen ausgerufen werden - so geschehen im Falle "Kuhle Wampe" - heute bleibt denen, die am Film arbeiten, nur die Möglichkeit: in Gleichnissen zu sprechen und durch Gleichnisse auszudrücken, was man von der Leinwand herab den Massen klarmachen will.

Das ist hier versucht worden. "Kuhle Wampe" ist ein Gleichnis, das an drei Beispielen die Verschiedenartigkeit proletarischen Verhaltens und die sich daraus ergebenden Konsequenzen aufzeigt.

Wie wir hören, soll bereits in allernächster Zeit, von derselben Gesellschaft und mit denselben Mitarbeitern, die "Kuhle Wampe" gedreht haben, ein neuer Film in Angriff genommen werden. [h. s.]

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